Samstag, 20. November 2010

Schmerzen nach meiner Trichterbrust-OP

Schmerzen sind nicht nur subjektiv, sondern auch relativ. Ich will damit sagen, dass nicht nur jeder Schmerz anders empfindet, sondern dass das individuelle Schmerzempfinden ebenfalls vielfältigen Änderungen unterworfen ist.
Bei mir heißt das, dass ich durch die zwischenzeitliche Phase der migräneartigen Kopfschmerzen (Tag 5 bis Tag 7 nach der OP, einige Stunden pro Tag), anschliessend fast dankbar war, als diese Kopfschmerzen weg waren und ich "nur" noch die normalen Trichterbrust-OP-Schmerzen hatte. Der Vorteil der Trichterbrust-OP-Schmerzen, in dem Ausmaß, in dem ich sie die überwiegende Zeit (außer Tag 14 bis Tag 23, s.u.) hatte, ist der, dass sie mich höchstens bei körperlichen Akivitäten beeinträchtigen. Beim Sitzen und Liegen, d.h. bei geistiger Tätigkeit und beim Faulenzen, gibt es also gar keine Beeinträchtigungen. Ich fühle mich wohl, obwohl ich nicht schmerzfrei bin, jedenfalls nicht komplett.

Überhaupt ist die Angabe von Schmerzen ziemlich schwierig. Ein Fortschritt ist schonmal, eine gewisse Vergleichbarkeit herzustellen, indem man eine Zahl zwischen 1 und 10 für das Maß der Schmerzen nennt. Unklar bleibt aber, ob sich diese Angabe dann auf einen Dauerzustand bezieht oder nur vereinzelte Maximal-Schmerzen. Und ob der Schmerz von weiteren Bedingungen abhängt, wie bspw. Bewegung oder auch in kompletter Ruhe auftritt. Und wenn der Schmerz bewegungsabhängig ist, stellt sich als nächste Frage, ob er bei allen gewöhnlicherweise gemachten Bewegungen oder nur bei bestimmten, ggf. vermeidbaren Bewegungen auftritt usw. usf. Vielleicht ist diese Unterscheidung bei manchen auch nicht nötig, weil deren Schmerzen verhältnismäßig konstant und unabhängig sind.

Im Blog von greyman fand ich es sehr hilfreich, dass er am Anfang des jeweiligen Posts seinen allgemeinen Zustand und seine Schmerzen angegeben hat. Und dass sehr oft "keine" bei Schmerzen stand, war eine zusätzliche Motivation, mich für die OP zu entscheiden. Ich habe auch überlegt, eine ähnliche Angabe zu machen. Wie ich aber oben schon schrieb, ändern sich die Schmerzen im Laufe des Tages und hängen davon ab, ob und wie ich mich bewege usw.

Was ich aber sagen kann ist, dass die Schmerzen im Zusammenhang mit der Trichterbrust-Operation für mich sehr gut tolerierbar, auszuhalten, wegzustecken sind. Und zwar bis auf die an anderer Stelle schon erwähnten Ausnahmen von zweimal 5 Sekunden Dauer in den ersten beiden Tagen und in den Tagen 14 bis 23 nach der OP, wo die Schmerzen zeitweise extremst waren.

Die letztgenannten Schmerzen waren nur linksseitig, aber zeitweise so stark, dass ich den linken Arm vor Schmerzen nicht bzw. kaum bewegen konnte (jeweils nur für Minuten, sehr selten auch mal für einige Stunden). Leider haben auch die konventionellen Schmerzmittel (Ibuprofen, Novaminsulfon) selbst bei der vorgesehenen Maximaldosierung keine spürbare Linderung gebracht.
Ich habe aber bemerkt, dass ich die Schmerzen komplett ausschalten kann, wenn ich die linke Seite ausreichend dehne. Am optimalsten war es, den linken Arm hochzuheben und die Hand auf den Hinterkopf zu legen. Während der Schmerzattacke besteht allerdings das Problem, den Arm überhaupt erstmal in diese Position zu bringen. Das ging dann manchmal nicht sofort bzw. nur in mehreren Versuchen und wieder nur im Schneckentempo. Sobald das geschafft war, waren die Schmerzen weg. Das war natürlich nur bedingt alltagstauglich, aber immerhin brachte es reproduzierbar Schmerzfreiheit. Diese Schmerzen traten nur im Gehen, Stehen und bei sonstigen Bewegungen auf, nicht aber im Liegen und Sitzen.

Sehr nützlich war wahrscheinlich auch, dass ich ab Tag 21 (bis Tag 28) täglich schwimmen gegangen bin. Jedenfalls waren diese extremen Schmerzen dann ab Tag 23 wieder verschwunden.

Die extremen, nicht tolerierbaren Schmerzen sind also seit Tag 23 verschwunden. Leichte, tolerierbare Schmerzen sind noch vorhanden. Nur bei unangemessenen Belastungen werden die Schmerzen deutlich stärker. Der schmerzliche "Grundzustand" lässt sich vielleicht am besten mit Muskelkater unterschiedlicher Intensität vergleichen, mal schwächer, mal stärker. In Ruhe merkt man jedenfalls nichts. Und auch wenn es bei Bewegung etwas schmerzt, sind die Schmerzen nie so stark, dass Schmerzmittel angebracht wären.

Apropos Schmerzmittel:
Ich habe leider zu keinem Zeitpunkt bewußt gemerkt, dass sich mein jeweiliges Schmerzempfinden durch die Einnahme von Schmerzmitteln irgendwie gebessert hätte. D.h. wenn ich schmerzbedingt zusätzliche Schmerzmittel genommen habe, wurden die Schmerzen leider nicht weniger. Und wenn ich mal versehentlich die Einnahme der Schmerzmittel um mehrere Stunden vergessen hatte, wurden die Schmerzen auch nicht mehr. Ich will damit aber keineswegs anzweifeln, dass die Schmerzen im großen und ganzen doch gedämpft wurden.
Und leider gibt es auch keine praktische Handlungsanweisung zur Dosierung, insbesondere zum Ausschleichen der Schmerzmittel. Letztlich war ich auf mich selbst gestellt. Dass das ganze aber nicht so trivial sein muss, sieht man daran, dass sich bspw. die Wirkung von Ibuprofen in Abhängigkeit der Dosis verändert: In geringeren Dosen (200-400 mg) wirkt Ibuprofen schmerzlindernd und fiebersenkend, in höheren Dosen (bis 800 mg) zusätzlich entzündungshemmend. D.h. bei halber Dosierung ist die Wirkung nicht etwa nur von geringer Quantität, sondern vielleicht eine andere Qualität. Außerdem sind die eventuell möglichen Nebenwirkungen der Schmerzmittel bei Daueranwendung wirklich nicht ohne, und man sollte sich vielleicht professioneller überlegen, welches Mittel man schneller absetzt und welches ggf. länger genommen werden kann. Und dann bleibt da noch die Frage, wie lange man das als "Magenschutz" gedachte Pantozol nehmen soll: nur so lange, wie man Ibuprofen nimmt oder auch noch x Tage danach? So ein kleiner Handzettel, wie man ihn bzgl. der Physiotherapie bekommen hat, wäre für die Dosierung der Schmerzmittel-Ausschleichung eine gute Hilfe.

Abgesehen von den Schmerzmedikamenten dürfte die eigene Einstellung zu den Schmerzen ebenfalls eine große Rolle für die Frage der Tolerierbarkeit spielen. Schmerzen, die erfahrungsgemäß jeden Tag weniger werden, lassen sich für mich viel besser ertragen, als Schmerzen, die mit der Zeit vermutlich schlimmer werden. Dieses Argument hat auch sehr zur Entscheidung für die OP beigetragen. Die OP-Schmerzen habe ich einmal, am anfang stärker, aber mit positiver Tendenz. Wenn ich mich aber gegen die OP entschieden hätte, wären Schmerzen und Beschwerden im Zusammenhang mit der Trichterbrust auf jeden Fall von der Prognose her open end und eher zunehmend gewesen.

Wenn ich mir große Schmerzen vorstelle, erinnere ich mich an meinen gebrochenen Arm als kleines Kind und wie dann der Arm von der Röntgenassistentin in die gewünschte Aufnahmeposition gebracht wurde. Oder ich erinnere mich an Erzählungen eines Freundes, der während seiner Medizinerausbildung auch Station auf der Unfallchirurgie hatte: wenn die Patienten mit ihren Frakturen vor Schmerz schrien, wenn sie positioniert wurden, hieß es sinngemäß, das ist nur der Schmerz. Inzwischen gibt es da wohl ein anderes Problembewußtsein in der Medizin.

Bei den Vorgesprächen zur OP war ich ja bei mehreren Ärzten, die Trichterbrust-OPs ausführen. Einer meinte in dem Zusammenhang, dass er sich bei einer Patientien nicht erklären konnte, wieso diese nach der OP immer wieder über heftige Schmerzen klagte und ihn deshalb wiederholt kontaktierte. Erst im Laufe eines von mehreren Gesprächen mit der Patientin hatte sich dann herausgestellt, dass die Schmerzen insbesondere beim Pferdereiten auftraten und sie auch zwischenzeitlich mal vom Pferd gefallen war. Für die Beurteilung dieses Verhaltens ist es natürlich von entscheidender Bedeutung wieviel Zeit seit der OP vergangen war. Es war jedenfalls noch so wenig, dass der Arzt nicht im Traum daran gedacht hatte, dass die Dame inzwischen reitet. Wenn jemand meint, dass die OP dank der neuen, tollen Medikamente mit keinerlei Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung verbunden ist, irrt er sich sehr wahrscheinlich.

Also nochmal zusammenfassend: die Schmerzen nach meiner Trichterbrust-OP waren bis jetzt immer gut auszuhalten (bis auf 2 Ausnahmen von je 5 Sekunden Dauer an Tag 1 und  2 sowie zeitweise von Tag 14 bis Tag 23).

Update (Stand: Tag 56):
Das oben stehende hat weiterhin Gültigkeit. Es gab also keine Rückschläge in Bezug auf Schmerzen. Vielmehr wurden die Schmerzen noch weniger. D.h. anfangs war ich in der Regel nur schmerzfrei, wenn ich mich nicht bewegt habe. Dann kam die Zeit, in der man auch schmerzfrei war, wenn man sich vorsichtig bewegt hat usw. usf.
Seit ca. Tag 51 habe ich keine Schmerzen im Bügelbereich mehr (und nehme keine Schmerzmittel mehr), egal, was ich mache, weder beim joggen, noch beim sehr tiefen Ein- und Ausatmen, auch nicht beim Heben und Schleppen eines Kartons mit 12 1-Liter-TetraPacks (also 12 kg) usw.
Merken tue ich den Bügel allerdings immer noch. Das ist mal nur ein komisches Gefühl. Ab und an ist es aber auch etwas unangenehm, bspw. bei Temperaturschwankungen (bspw. beim kalt Abduschen).

Übersicht der Einträge zu meiner Trichterbrust-OP

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